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geek-andi

In Sachen kartevonmorgen: Qualitätskriterien für Vernetzer von Vernetzungsplattformen

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Zusammenfassung

"Welche Lizenz hätten Sie denn gern?" Die Initiativen-Suchmaschine Transiscope.org aggregiert Daten anderer Anbieter und lässt ihnen die freie Wahl unter welcher Lizenz sie ihre Daten bereitstellen wollen. Was die "Karte von morgen" von der französischen Suchmaschine lernen kann.

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Dies ist der Folgeartikel zu unserem ersten Artikel mit der These 'Warum das von der "Kartevonmorgen" geplante „Klima?-Wandel!-Karten“-Projekt der Wandel-Bewegung schadet'.

Ergänzung 9.6.2021: Wir haben ein Kriterium 0, die "Rechte zukünftiger Generationen" unten im Text ergänzt. In weiteren Artikeln erläutern wir, warum Daten-Sync ein roter Hering ist und beantworten häufige Fragen und Antworten.

Hinweis: Wir machen im Text ein Gedankenexperiment und nehmen an, dass sich Transiscope in Platzhirsch umbenennt. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir Platzhirsch nicht mit Kvm gleichsetzen. Wir möchten jedoch verhindern, dass Kvm in der Zukunft die Dinge tut, die Platzhirsch in unserem Gedankenexperiment tut.

Ein Blick nach Frankreich

Transiscope.org ist quasi das französische Pendant zu Kvm, macht aber einige entscheidende Dinge anders. Wir möchten am Beispiel Transiscope zeigen, welche Qualitätskriterien für eine überregionale Vernetzungs-Plattform gelten müssen, um für Regioportale nicht existenzbedrohend zu sein.

Auch bei „offenen“ Daten ist nicht egal, wem sie „gehören“

Transiscope ist eine Suchmaschine, die Daten von vielen verschiedenen Anbietern anzeigt. Aktuell zeigt sie Suchergebnisse aus 24 dezentralen Redaktionen, von "Transition Network" bis "Greenpeace Nancy". Alle sind dort als Anbieter verzeichnet.

In Deutschland sind die meisten Einträge vom "Transition Network", also den Transition Initiativen. In jedem einzelnen dieser Einträge wird auf die Website des "Transition Network" verwiesen. Das "Transition Network" ist nämlich der eigentliche Anbieter der angezeigten Einträge. Neben dem "Transition Network" gibt es etliche andere Anbieter, die ihre Daten auf Transiscope.org anzeigen lassen.

Schon auf den ersten Blick wird deutlich: Die Anbieter haben extrem vielfältige Redaktionskonzepte, Redaktionssysteme und Geschäftsmodelle.

Und jetzt kommt das Besondere: Jeder Anbieter, der seine Daten auf Transiscope.org anzeigen lässt, kann selber festlegen, unter welcher Lizenz dies geschieht.

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transiscope.org - Karte der Alternativen, Ansicht von ganz Frankreich mit tausenden Alternativorten.
transiscope.org - das Portal der Alternativen aus Frankreich.
transiscope.org - das Portal der Alternativen aus Frankreich.

Die „Alles-oder-nichts“ Bedingungen der Kvm

Ganz anders bei der Kvm: Dort geben alle Eintragenden die vollen Rechte („CC0“) an Kvm. Kvm stellt die Daten dann aber unter einer anderen Lizenz zur Verfügung. Sie verpflichtet damit alle, die sie nutzen wollen, Kvm als Datenquelle anzugeben - nicht die eigentlichen Anbieter. Und sie kann diese Bedingungen jederzeit ändern. D.h. wer auf Kvm sichtbar sein will, muss alle Rechte an seinen Daten abgeben.

Warum das problematisch ist...

Transiscope.org hat eine ganz klare Rolle gegenüber den anderen Anbietern: Die Plattform fasst die Daten übersichtlich zusammen und macht sie überregional sichtbar und durchsuchbar. Das ist ein großer Nutzen für alle Beteiligten, vor allem die Suchenden.

Momentan ist Transiscope also nur Daten-Suchmaschine. Machen wir ein Gedankenexperiment: Transiscope benennt sich um und nennt sich ab jetzt „Platzhirsch“. Die Platzhirsch-Plattform möchte nun, genauso wie Kvm, alle Rechte an den Daten haben. Nehmen wir auch an, dass niemand Alarm schlägt.

Platzhirsch profitiert nun von der Redaktionsarbeit der Regioportale, denn es muss nicht mehr auf den Anbieter als Quelle der Daten verweisen. Es schmückt sich also mit fremden Federn und spart Geld, weil es die Redaktionsarbeit nicht machen muss. Für ehrenamtlich arbeitende Lokalredaktionen ändert sich zunächst nichts, sie tragen einfach weiter ihre Daten ein und freuen sich, dass sie sichtbar werden.

...für regionale Social Startups

Schauen wir uns das Ganze aber mal aus der Sicht eines Regioportals an, das sich als regionales Social Startup professionalisieren möchte. Es macht Vernetzung und gemeinnützigen Nachhaltigkeits-Journalismus mit 3 Mitarbeitenden. Die rund 80.000 Euro, die es jährlich benötigt, kommen, wenn es gut läuft, von Lesenden und der regionalen Wirtschaft zusammen. Die Nachhaltigkeits-Karte ist ein wichtiges Marketing-Instrument. Denn so können Online und mit der gedruckten Karte ein relevanter Teil der Kosten erwirtschaftet werden. Die inhaltliche Arbeit der Redaktion wird querfinanziert.

Nehmen wir einmal an, das Startup arbeitet mit einem eigenen leistungsfähigen Redaktionssystem, wo viele regionale Vereine und Unternehmen mit eigenem Login Daten aktualisieren können („Meine Orte“). Außerdem nutzt es „Crowdsourcing“, indem alle Online-Besuchenden „etwas ergänzen“ und „Korrektur vorschlagen“ können. Das Startup hat es mal hochgerechnet: Müsste es diese „Crowdsourcing“ Arbeit selbst machen, würde das weitere 10.000 – 20.000 Euro kosten.

Was nun schief geht

Nehmen wir also an, Platzhirsch lässt diese Redaktion für die Sichtbarkeit auf Transiscope mit ihren Daten bezahlen, macht also Kopien aller Daten, und hat die vollen Rechte darauf.

Was dann passiert ist folgendes: Platzhirsch tritt auf dem eigenen Marktplatz als Markt-Teilnehmer mit einem unfairen Vorteil auf. Wie äußert sich das?

Beim Wettbewerb um Aufmerksamkeit äußert sich das so:

Platzhirsch zeigt nur noch „seine“ eigenen Daten an, ohne Rückverlinkung auf den Quell-Eintrag. Die Benutzer werden also nicht mehr auf das Regioportal geleitet. Sie sehen nicht mehr die dort veröffentlichten zusätzlichen Hintergrund-Informationen. Sie sehen auch nicht mehr das Sponsorenlogo, das den Journalismus mit finanziert. Und, sie sehen nicht mehr den Aufruf zu einer wichtigen regionalen Verkehrswende-Kampagne. Diese „Bannerwerbung“ ist jedoch ein wichtiger Teil des Wirkungsmodells des Regioportals.

Beim Wettbewerb um Crowdsourcing äußert sich das so: Änderungen an Einträgen können nun nur noch direkt auf Platzhirsch gemacht werden. Das Regioportal hat also nicht nur geringere Einnahmen, sondern auch höhere Kosten, weil es seine Daten jetzt alleine pflegen muss.

Beim Wettbewerb um Fördergelder äußert sich das so, dass Platzhirsch nun mit den kopierten Daten um Fördergelder konkurriert.

Beim Wettbewerb um Sponsoring äußert sich das so, dass Platzhirsch nun sogar andere Redaktionen beauftragen kann, mit den kopierten Daten bei regionalen Unternehmen um Sponsoring zu werben.

Aus guten Gründen macht das echte Transiscope all das nicht. Diese Plattform konzentriert sich auf eine Aufgabe, die einen klaren Nutzen für alle Beteiligte bringt: Einen Überblick zu schaffen und die Urheber der Einträge sichtbar zu machen.

Aus Grundlage dieses kleinen Gedankenexperiments formulieren wir nun minimale Qualitätskriterien. Sie verhindern, dass die oben beschriebenen Probleme auftreten:

Qualitätskriterium 1: Regionen behalten die Rechte an ihren Daten

Wir halten es für selbstverständlich, dass die Anbieter die Rechte an ihren Daten behalten. Sie müssen entscheiden können, unter welchen Bedingungen ihre Daten freigegeben werden z.B.

  • ob alle ihre Daten frei gegeben werden sollen, 
  • nur unter Namensnennung und Rückverlinkung, 
  • und ob eine kommerzielle Nutzung erlaubt ist. 

Das ist vor allem für solche Anbieter wichtig, die ihre Arbeit professionalisieren möchten. 

Qualitätskriterium 2: Jeder Eintrag hat eine eindeutige Quelle

Die Lösung ist, dass es eine eindeutige Quelle und Zuständigkeit für jeden Eintrag gibt: Das Regioportal. D.h. die Suchmaschine und das Redaktionssystem müssen klar voneinander getrennt sein. Für die überregionale Suchmaschine bedeutet das:

  • Verlinkung auf das Regio-Portal für neue Einträge. 
  • Verlinkung auf das Regio-Portal zum Ändern bestehender Einträge. 

Transiscope erlaubt beides selbstverständlich.

Qualitätskriterium 3: Gleichbehandlung aller Ansätze = Trennung von Aufgaben, die Interessenkonflikte mit sich bringen

Es muss sichergestellt sein, dass die Machtkonzentration bei einem Akteur andere Ansätze nicht benachteiligt. Dazu ist es nötig, die einzelnen Angebote zu trennen. Beispielsweise können unterschiedliche Träger jeweils Anbieter von Suchmaschine, Anbieter von Redaktionssystem und Anbieter von Initiativenberatung übernehmen. Es muss sichergestellt sein, dass Interessenkonflikte innerhalb einer Organisation nicht die Qualität der Arbeit gefährden. Es muss vor allem auch sichergestellt werden, dass andere redaktionelle Ansätze und Redaktionssysteme nicht schlechter behandelt werden als die eigenen.

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transiscope.org - vorbildliche Lösung am Beispiel eines Detaileintrags mit Link zur Originalquelle und zum Bearbeiten auf der Quellplattform.
transiscope.org - so soll es sein: mit Link zur Originalquelle und zum Bearbeiten auf der Quellplattform.
transiscope.org - so soll es sein: mit Link zur Originalquelle und zum Bearbeiten auf der Quellplattform.

Ergänzung: Kriterium Null: Rechte zukünftiger Generationen

Alle obigen Kriterien sind wertlos, wenn sie jederzeit von einem Akteur geändert werden können: Denn angenommen, Kvm setzt den Plan um, sich zu professionalisieren und eine Anzahl Mitarbeitende einzustellen. Und nehmen wir weiter an, es kommt ein Zeitpunkt, wo das Geld nicht mehr für die Mitarbeitenden ausreicht, z.B. nach Ende der Förderung.

In diesem Fall ist es das Recht des Kvm Vorstands (und ggf. sogar Teil seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden), im Sinne stärkerer Monetarisierung seine Geschäftspolitik, auch in Hinblick auf die anderen genannten Bedingungen, zu ändern. Ein solches Szenario ist also schon jetzt absehbar.

Das heißt: Zukünftige Generationen benötigen Garantien für die Einhaltung der Qualitätskriterien.

Zusammenfassung

Wie es sein sollte (und Transiscope es schon macht):

  • Transiscope ist Marktplatz und Suchmaschine für Kartendaten, die Daten aus unterschiedlichen Redaktionen diskriminierungsfrei anzeigt.
  • Diese Redaktionen haben sehr unterschiedliche Redaktionssysteme, Redaktionskonzepte und Geschäftsmodelle
  • Transiscope stellt nur den Marktplatz, agiert aber nicht auf dem eigenen Marktplatz als Anbieter

Wie es Kvm macht:

  • Kvm ist Marktplatz und Suchmaschine für Kartendaten, mit einer Alles-oder-Nichts-Bedingung:
    • Daten müssen in das selbst betriebene Redaktionssystem kopiert werden
    • Die Anbieter-Redaktion muss auf alle ihre Rechte verzichten (sie bezahlt also für die Sichtbarkeit mit ihren Daten)
    • Keine Rückverlinkung zur Quelle
    • Kein Hier-korrigieren Link zur Quelle
    • Keine Nennung bei Druck-Erzeugnissen
  • Kvm konkurriert mit diesen kopierten Daten also auf dem eigenen Marktplatz mit den Redaktionen um Aufmerksamkeit, Fördergelder, und Sponsoring
  • Das Crowdsourcing-Potenzial beansprucht Kvm für sich und entzieht dieses Potenzial den Quellen
  • Dieser Wettbewerb von Kvm auf dem eigenen Marktplatz geht somit zu Lasten regionaler Social Startups

Was wir fordern

Wir fordern, dass unsere Qualitätskriterien bei der Förderung des „Klima?-Wandel!-Karten“-Projekts berücksichtigt werden. Da viele Punkte für viele Menschen neu sind (auch uns war lange nicht bewusst, wie weitreichend die Konsequenzen sind), fordern wir, dass es Zeit und Raum gibt, damit alle Akteure ein Verständnis für die Probleme und Lösungen entwickeln können. Dies muss passieren, bevor Fakten geschaffen werden.

Wir arbeiten mit Hochdruck daran, konstruktive Ansätze für die dort genannten – für uns und andere Regioportale existenzbedrohenden – Probleme zu finden. Dieser Artikel ist ein erster Aufschlag dafür und wir halten ihn fortlaufend aktuell, um den Diskurs aus unserer Sicht abzubilden.

Unterstützt ihr unser Anliegen? Dann meldet euch bei uns.

Zuletzt geändert
06.12.23, 23:57