Art des Artikels
Bericht
Autor
Leonie

Bekommt Freiburg einen Klimaentscheid?

Bild
Zusammenfassung

Die Stadt Freiburg will bis 2038 klimaneutral werden. Die Initiative "Klimaentscheid" sagt, die bisher geplanten Klimaschutzmaßnahmen werden dafür nicht reichen. Deshalb fordern Sie weitergehende Maßnahmen und starten ein Bürgerbegehren.

Haupt-Inhaltsfeld

In Freiburg wurde eine Kampagne für einen Klima-Bürger*innenentscheid gestartet. Wir, die StadtWandler-Redaktion, begleiten für euch den Prozess und halten euch auf dem Laufenden, wie es mit der Initiative voran geht. Wenn du eine bestimmte Frage zum Thema hast, schick Sie uns an info [at] stadtwandler.org (info[at]stadtwandler[dot]org) und wir haken für dich nach.

Der Artikel wird laufend aktualisiert.

In Kürze:

  • Die Initiative "Klimaentscheid" startet ein Bürgerbegehren.

  • Dafür werden Unterschriften gesammelt.

  • Warum? Die Initiative sagt, die Stadt Freiburg wird ihr Klimaziel (klimaneutral bis 2038) verfehlen. Deshalb fordern Sie weitergehende Maßnahmen.

  • Unterschreiben können alle Freiburger*innen ab 16 Jahren.

  • Menschen, die mithelfen wollen, das Bürgerbegehren voran zu treiben, sind eingeladen beim Unterschriftensammeln zu helfen.

 

Klimaentscheid - Ticker:

 

  • [Freitag 23.09.22] Start der Unterschriftensammlung beim Globalen Klimastreik von Fridays for Future
  • [Freitag 23.09.22] Das Rechtsamt der Stadtverwaltung hält nach erster Einschätzung das Bürgerbegehren für rechtlich nicht zulässig. Die Verknüpfung verschiedener Themenkomplexe sei nicht möglich (in der Gemeindeordnung nennt man das Kopplungsverbot). Die Verwaltung betont jedoch, dass das eine rechtliche und keine politische Bewertung sei.
  • [Freitag 30.02.22] Auf der Klimademo wurden 1.700 Unterschriften gesammelt. Insgesamt braucht es etwa 13.000 Unterschriften. Das Ziel der Initiative sind 20.000 Unterschriften.

 

Wie kann ich selbst aktiv werden?

 

FAQ

Was ist ein Bürgerbegehren bzw. ein Bürgerentscheid?

Ein Bürgerentscheid ist ein Instrument der direkten Demokratie. Das heißt Bürger*innen entscheiden direkt (und nicht indirekt über gewählte Abgeordnete) über eine Frage. Bevor ein Bürgerentscheid zustande kommen kann, müssen jedoch genügend Unterschriften für ein sog. Bürgerbegehren gesammelt werden. Das Land Baden-Württemberg schreibt vor:

"Ein Bürgerbegehren muss von mindestens sieben Prozent der Bürger unterzeichnet werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung und einen Kostendeckungsvorschlag für die verlangte Maßnahme enthalten."

Welche Forderungen stellt die Initiative Klimaentscheid?

Der Klimaentscheid enthält Forderungen zu den Themen "Klimaneutrale Gebäude“, „Ausbau erneuerbarer Energien“, „Ernährung“ und „Bildung“. Beispiele für Forderungen sind:

  • kommunale Gebäude sanieren und geeignete Dachflächen mit Solaranlagen ausstatten
  • Bürger*innen zur Sanierung eigener Häuser beraten und fördern
  • mindestens ein Drittel des in der Stadt benötigten Stroms, durch erneuerbare Energien selbst erzeugen

Alle Forderungen findest du >> hier

Wie sind die Forderungen entstanden?

Die Initiative besteht aus einem Kernteam von 12 Menschen. Für die Entwicklung der Maßnahmen haben sie bestehende Konzepte recherchiert (Klimaschutzkonzept der Stadt Freiburg und weiterführende Beschlüsse, die Prüfung von Beschlussvorlagen auf Arten- und Klimaschutzrelevanz sowie die Forderungen der Fridays). Sie haben mit vielen Akteuren gesprochen (Öko-Inistut, Ifeu, Fraktionen, Stadtverwaltung, badenova, Initiative Fuß- und Radentscheid, Klimabürger:innenrat Regio Freiburg, Verein Klimaschutz im Bundestag, Vertretern des Fraunhofer ISE, fesa e.V., Expertengremium zum Energiekonzept für Dietenbach, Initiatoren des CO2-Compass und viele andere engagierte Bürger:innen und Expert:innen). Sie haben sich Beispiele aus anderen Städten angesehen und sich von Bürgerentscheid-Expert:innen beraten lassen (MehrDemokratie e.V., GermanZero). Daraus ist eine Matrix an Maßnahmen entstanden, die das Team des Klimaentscheids priorisiert hat und Maßnahmen mit Potential auf kommunaler Ebene identifiziert hat. Im Oktober 2021 gab einen einen offenen Workshop, in dem diese Maßnahmen weiter priorisiert wurden.

Das entstandene Maßnahmenpaket wurde wiederum mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik abgestimmt. Die finale Version wurde mit der Stadtverwaltung diskutiert.
 

gesamte Antwort des Klimaentscheid-Teams

StadtWandler: Könnt ihr ausführen, wie genau die Forderungen zustande gekommen sind? Seid ihr vom 1,5 Grad Ziel ausgegangen und habt dann die Maßnahmen der Stadtverwaltung mit dem Ziel abgeglichen und ermittelt wie viele Einsparungen es noch braucht?

Initiative Klimaentscheid:

"Die Entwicklung dieser Maßnahmen ist ein Prozess, der sich jetzt 1,5 Jahre gezogen hat. Wir haben uns dafür intensiv das Klimaschutzkonzept der Stadt Freiburg (Fortschreibung 2019), und weiterführende Beschlüsse wie die Prüfung von Beschlussvorlagen auf Arten- und Klimaschutzrelevanz PKAB, sowie die Forderungen der Fridays und die Antwort der Stadt auf jede einzelne Forderung angesehen. Wir haben mit den Autoren des Klimaschutzkonzeptes Öko-Inistut und Ifeu gesprochen, wir haben die Autoren zu der Kurzstudie Freiburg Klimaneutral 2035 befragt, wir hatten Gespräche mit den Fraktionen, mit der Stadtverwaltung mit der Badenova, waren im engen Austausch mit dem Fuß- und Radentscheid, Klimabürger:innenrat Regio Freiburg, dem Verein Klimaschutz im Bundestag (vormals CO2-Abgabe e.V.), Vertretern des Fraunhofer ISE, der Fesa, dem Expertengremium zum Energiekonzept für Dietenbach, den Initiatoren des CO2-Compass und vielen anderen engagierten Bürger:innen und Expert:innen.

Wir haben uns Beispiele für Klimaentscheide von anderen Städten und Gemeinden im Rahmen der Dachorganisation GermanZero angeguckt, uns von dem Verein MehrDemokratie e.V. beraten lassen und uns von dem UmweltInstitut München mit seinem Wegweiser "Klimawende von unten" inspirieren lassen.

Daraus ist eine große Matrix entstanden von Maßnahmen die wir zunächst selbst nach ihrer Eignung für eine Umsetzung auf kommunaler Ebene und ihrer Wirksamkeit priorisiert haben. Übrig blieb eine lange Liste von Maßnahmen, die wir zunächst als Maßnahmen mit einer kurzen Beschreibung und Begründung ausformuliert haben. Im Oktober 2021 haben wir in einem offenen Workshop diese Maßnahmen weiter priorisiert und in den folgenden Monaten dann zu einer Kurzfassung eingedampft, die dem Format eines Bürgerbegehrens entspricht.

Für die Kurzfassung wurde dann wieder mit allen Akteur:innen der zivilgesellschaftlichen Klimaschutzgruppen, Experten, der badenova und den Fraktionen Feedback eingeholt.

Eine finale Version haben wir mit der Stadtverwaltung diskutiert.

Bei dem Weg sind viele intensiv diskutierte Details auf der Strecke geblieben, das Handlungsfeld Mobilität ist z.B. ganz rausgefallen.

Eine wissenschaftliche Methodik, die genau bemisst, mit Maßnahme X, können Y Tonnen Treibhausgasausstoß reduzieren und damit der 1,5°-Pfad eingehalten werden, steht nicht hinter den Maßnahmen. Sehr wesentlich ist aber die Studie von Matthias Seelmann-Eggebert, der den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien für treibhausgasneutrale Selbstversorgung der Region mit Energie bei ungemindertem Energiebedarf berechnet hat.

Mit den unter 2) Ausbau der erneuerbaren Energien aufgeführten Maßnahmen könnte somit Freiburg etwa 30% seines Energiebedarfs emissionsfrei selbst erzeugen. 70% des Energiebedarfs muss von extern kommen und könnte aus den Umlandgemeinden bereitgestellt werden. Sofern beim Umbau des Wärmesektors auf überwiegend elektrischen Betrieb durch Wärmepumpen gleichzeitig Einsparungen durch bessere Dämmung erfolgen und bei der Umgestaltung des Verkehrssektors sich die Personenkilometer, die mit einem PKW-zurückgelegt werden reduzieren, kann mit dem vorgeschlagenen Ausbau der erneuerbaren Energie auch eine höhere Deckung des Eigenbedarfs erreicht werden."

Wie wahrscheinlich ist es, dass so eine Aktion etwas bewirkt?

Über 80 Teams treiben in Deutschland aktiv einen Klimabürgerentscheid in ihrer Gemeinde voran. Davon haben 27 Teams ihre Kommune bereits davon überzeugt bis 2030 oder 2035 klimaneutral zu werden und einen entsprechenden Plan dafür zu erstellen, wie das gelingen kann. (mehr dazu bei germanzero)

In Freiburg hatte die Initiative "Fuß- und Radentscheid" Erfolg damit mit ihrer Kampagne für einen Bürger*innenentscheid zur fuß- und radfreundlicheren Mobilität in Freiburg. Zwar kam es nicht zum rechtskräftigen Entscheid, aber die Kampagne war trotzdem ein Erfolg. Der Gemeinderat hat sich zu den Forderungen der Initiative bekannt und die Verwaltung im Dezember 2020 mit der Umsetzung der Forderungen beauftragt.

Warum wurde das Bürgerbegehren für rechtlich nicht zulässig eingeschätzt?

Klimaentscheid-Team:

"Das Bürgerbegehren „Klimaentscheid Freiburg“ wird nach Einschätzung des Freiburger Rechtsamts nicht zu einem Bürgerentscheid führen. Das basisdemokratische Instrument eines Bürgerentscheids sieht vor, dass über eine Sachfrage durch die wahlberechtigten Bürger:innen an den Wahlurnen entschieden wird. Dadurch wird einmalig und nur zu dieser einen Fragestellung ein Gemeinderatsbeschluss durch die direkte Abstimmung der Bürger:innen ersetzt. Da es sich bei den vorgelegten Klimaentscheidsmaßnahmen um ein ganzes Paket handelt, das in viele unterschiedliche Bereiche hineingreift, hat es nicht den Charakter einer Beschlussvorlage. Der Stadtrat könnte darüber nicht in einer einzigen Abstimmung entscheiden und somit auch die Bürger:innen nicht."

Was bedeutet das für die Initiative, dass die Stadtverwaltung das Bürgerbegehren für rechtlich nicht zulässig hält?

Laut der Initiative wurden sie von Vertretern des Gemeinderates explizit darum gebeten, das Bürgerbegehren mit den konkreten Maßnahmen durchzuführen. Das würde den Gemeinderät*innen den Rücken stärken, mit eigenen Umsetzungsbeschlüssen die notwendigen Maßnahmen zur Klimaneutralität 2038 schnellstmöglich auf den Weg zu bringen.

 

Gesamte Antwort des Klimaentscheid-Teams

Klimaentscheid-Team:

"Dem Team der Initiatoren des Klimaentscheids war dieser Sachverhalt [dass es vermutlich rechtlich nicht zulässig sein wird, Anm. der Redaktion] bekannt. Klimaschutz ist komplex und das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, bedeutet eine sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft. In einer Kommune, in der z.B. noch ein Kohlekraftwerk läuft, wäre es einfach die eine sehr wirksame Maßnahme für mehr Klimaschutz zu finden. Eine einzelne Maßnahme für eine Stadt wie Freiburg, die schon seit 30 Jahren Klimaschutz betreibt, würde aber zu kurz greifen. Deshalb haben sich die Initiatoren des Klimaentscheids Freiburg für den Weg entschieden, die erforderliche Anzahl an Unterschriften (12.500) für einen ganzen Maßnahmenkatalog zu sammeln. Wir wurden von Vertretern des Gemeinderates explizit darum gebeten, das Bürgerbegehren mit den konkreten Maßnahmen durchzuführen, weil ihnen mit vielen tausend Unterschriften der Rücken gestärkt wird, mit eigenen Umsetzungsbeschlüssen die notwendigen Maßnahmen zur Klimaneutralität 2038 schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Durch das gewählte Format eines Bürgerbegehrens und die Anzahl der Unterschriften schaffen wir eine Verbindlichkeit, die - ähnlich wie beim Fuß- und Radentscheid – dazu führt, dass Stadträt:innen und Stadtverwaltung die Maßnahmen umsetzen.

Für uns heißt das: Wir brauchen möglichst viele Unterschriften, um der Stadt und dem Gemeinderat zu zeigen, dass die Bürger:innen Freiburgs mehr Tempo beim Klimaschutz wollen."
 

 

>> Schick uns Deine Frage an info[ät]stadtwandler.org

 

Weiterführende Infos:

 

Das berichten andere:

 

-------------------------------

Foto von Kevin Snyman von Pixabay

Zuletzt geändert
06.12.23, 23:57