Art des Artikels
Themen-Überblick
Autor
Leonie

Gärtnern in Freiburg: Wie geht's weiter?

Zusammenfassung

Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft wollen beide Gärtnern in Freiburg fördern. Bei der Umsetzung gibt’s allerdings unterschiedliche Sichtweisen.

Haupt-Inhaltsfeld

  

Die Stadtverwaltung hat das Konzept „Gärtnern in Freiburg“ veröffentlicht und sagt, wir sind fleißig und alles läuft super. Der Ernährungsrat sieht noch Luft nach oben und wünscht sich mehr Unterstützung.

Der Artikel will dokumentieren und Klarheit über die Situation liefern. Und damit vielleicht einen konstruktiven Anstoß zur Lösung geben.

Was bisher geschah…

Die Stadtverwaltung hat ein Konzept "Gärtnern in Freiburg" (Langfassung, Kurzfassung) erarbeitet, das der Gemeinderat im Jahr 2018 beschloss. Das Konzept enthält Strategien für mehr Klimaschutz, Biodiversität und Bewusstseinsbildung in den Freiburger Gärten.

Der Ernährungsrat sagt...

Im Februar 2021 veröffentlichte der Ernährungsrat mit Unterstützung weiterer Initiativen ein Positionspapier dazu. Die Kritik: Das Konzept werde nicht ausreichend umgesetzt. Das läge unter anderem daran, dass das Garten- und Tiefbauamt nicht genügend Möglichkeiten zur Umsetzung hat.

Wie bei mehreren Gesprächen des Ernährungsrat Freiburg und Region seit Februar 2020 mit dem Garten- und Tiefbauamt sowie dem Stadtplanungsamt deutlich wurde, verfügt das GuT momentan über keine Möglichkeiten zur Umsetzung, obwohl die Umsetzung des Konzeptes 2018 vom Gemeinderat beschlossen wurde und die überwiegende Anzahl der Umsetzung der Entwicklungsziele aufgrund der fachlichen Zuständigkeit im Aufgabenbereich des Garten- und Tiefbauamtes liegt. Über Freiburg packt an besteht zwar bereits eine allgemeine Koordination und Unterstützung der urbanen Gärten, aber diese reicht personell und finanziell nicht für die weitere Umsetzung des Konzepts aus.

 

Die Stadtverwaltung sagt...

Wir haben beim GuT nachgefragt, wie es dazu steht. Die Antwort des GuT in Kürze: Wir sind fleißig dabei und finden, dass es super läuft mit dem Konzept.

Wie steht das GuT zu der Kritik? Wie schätzt das GuT den Fortschritt der Umsetzung ein?

Welche Maßnahmen aus dem Konzept "Gärtnern in Freiburg" wurden bereits umgesetzt?

Welche Akteure sind in welchen Rollen an der Umsetzung beteiligt?

Nach Informationen der StadtWandler-Redaktion liegt die Umsetzung vor allem beim GuT. Was braucht das GuT, um das Konzept in Gänze umzusetzen? (Personal, Geld, andere Ressourcen..?)

Die Pressestelle der Stadtverwaltung nahm unsere Fragen, sprach mit den Beteiligten und formulierte uns eine Antwort

Antwort_der_Pressestelle_der _Stadt

Wie steht das GuT zu der Kritik? Wie schätzt das GuT den Fortschritt der Umsetzung ein?

"Das GuT betreut bereits mit der „Freiburg packt an“ Stelle seit 2012 die urbanen Gärten auf öffentlichen Flächen, stellt Flächen zur Verfügung, Vernetzt die Beteiligten und kümmert sich um die Anliegen der Gruppen. Dazu gehört auch die Vermittlung von interessierten Freiwilligen für die Gärten und die Öffentlichkeitsarbeit. Zusammen mit weiteren Netzwerken werden verstärkt seit 2018 Tagungen, Fortbildungen und weitere Veranstaltungen angeboten. So können immer mehr Menschen in der Stadt gärtnern, die Gemeinschaft erleben und sich fortbilden."

Welche Maßnahmen aus dem Konzept "Gärtnern in Freiburg" wurden bereits umgesetzt?

"Dem Erhalt bestehender Kleingärten wird seitens des GuTs höchste Priorität eingeräumt. Bei Gartenauf- bzw. –übergaben wird seitens des GuT stets die Möglichkeit einer Gartenteilung geprüft Durch „Nachverdichtung“ und „Teilen“ von Parzellen in bestehenden städtischen Anlagen („An der Höllentalbahn“, „Engelberger-links“, „Haslacher Straße“) wurden bereits punktuell und sukzessive neue Gärten geschaffen. Allerdings sind beim Thema „Pachtdauer“ noch rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen abzustimmen.

Bei aktuell anstehenden städtebaulichen Entwicklungen wie z. B. „Kleineschholz“ oder „Im Zinklern“ werden im Bereich des öffentlichen Grüns bereits Flächen für Nachbarschaftsgärten und urbanes Gärtnern mit vorgehalten.

Auch innerhalb der zur Umsetzung anstehenden neuen Kleingartenanlage „Moosacker III“ (voraussichtlicher Baubeginn ab April 2021) sind zusätzlich zu den Parzellen gem. BKleingG auch Bereiche für neue Formen des Gärtnerns und Bewirtschaften vorgesehen.

Darüber hinaus werden vorbehaltlich der Freigabe der beantragten Haushaltsmittel im Gewann „Obergrün“ weitere neue Kleingartenparzellen bereitgestellt werden.

Zu Dachgärten können von Seiten des GuT keine Angaben gemacht werden. Dies kann nur mit den jeweiligen Eigentümer besprochen werden.

Die „Nachbarschaftsgärten am Lindenwäldle“ sind mit der Baumaßnahme der Freiburger Stadtbau gekoppelt. Diese Maßnahme ist laut Beschluss G-18/128  „der gesonderten Beschlussfassung vorbehalten“.

Unterstützung und Organisation, Netzwerkförderung.“

Anlaufstelle für urbane Gärten bei „Freiburg packt an“ für alle Anliegen, Koordination, Öffentlichkeitsarbeit, neue Flächen:  z.B. 2019 neuer urbaner Garten im Mensagarten. Seit 2018 verstärkt für Fortbildungen und Vernetzung, Flächensuche je nach Bedarf/Anfrage wird weiterhin unterstützt.

Die von Ihnen beschriebene Personalstelle ist nicht Bestandteil der Drucksache bzw. des Beschlusses, stellt aber eine begrüßenswerte Verbesserung der Möglichkeit einer organisatorischen und steuernden Einflussnahme der Stadt auf die Entwicklungen rund um das immer mehr an Bedeutung gewinnende Themenfeld: "Neue Formen des Gärtners" dar. In wie weit sich diese jedoch realisieren lässt, hängt von der Priorisierung innerhalb des Stellenplans ab."

Welche Akteure sind in welchen Rollen an der Umsetzung beteiligt?

  • "Das Stadtplanung im Rahmen der verbindlichen Bauleitplanung.

  • Die Freiburger Stadtbau und weitere Wohnbaugesellschaften bei der Planung und Umsetzung von Mieter- und Nachbarschaftsgärten.

  • Das GuT bei gärtnerischer Nutzung auf öffentlichen städtischen Flächen (Koordination und Beratung bei urbanen Gärten) sowie bei Gartenanlagen, die städtisch verwaltet oder zur kleingärtnerischen Bewirtschaftung seitens der Stadt an Kleingartenvereine weiterverpachtet sind."

Nach Informationen der StadtWandler-Redaktion liegt die Umsetzung vor allem beim GuT. Was braucht das GuT, um das Konzept in Gänze umzusetzen? (Personal, Geld, andere Ressourcen..?)

"Das GuT betreut bereits mit der „Freiburg packt an“ Stelle die urbanen Gärten auf öffentlichen Flächen, stellt Flächen zur Verfügung und kümmert sich um die Anliegen der Gruppen. Zusammen mit weiteren Netzwerken werden Tagungen, Fortbildungen und weitere Veranstaltungen angeboten.

Damit ist ersichtlich, dass wir hier bereits seit über 10 Jahren erfolgreich tätig sind, wobei die Flächenverfügbarkeit natürlich immer in Konkurrenz zu anderen Belangen und Angeboten auf den öffentlichen Flächen steht und abgewogen."

Dann haben wir nochmal beim Stadtplanungsamt direkt nachgefragt, die das Konzept erstellt haben.

Wie bewertet das Stadtplanungsamt den Prozess des Konzepts? Wie werden solche Konzepte wie "Gärtnern in Freiburg" erarbeitet?

Inwiefern werden die Umsetzung und die notwendigen Ressourcen dazu bereits mitgedacht? Wie kommt ein solches Konzept in die Umsetzung? Inwiefern sorgt das Stadtplanungsamt dafür, dass es zur Umsetzung kommen kann? Wer ist dafür verantwortlich, dass es umgesetzt wird?

Antwort_des_Pressereferats_der_Stadt_Freiburg

Wie bewertet das Stadtplanungsamt den Prozess des Konzepts? Wie werden solche Konzepte wie "Gärtnern in Freiburg" erarbeitet?

Das Stadtplanungsamt bewertet den Erarbeitungsprozess als gute integrierte und gemeinsame Konzeptentwicklung, sowohl durch die enge und intensive Zusammenarbeit mit dem Garten- und Tiefbauamt als maßgebliche Stelle für die Umsetzung in Form von regelmäßigen Lenkungsgruppen sowie in drei Workshops mit den unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteuren der gärtnerisch Aktiven von Kleingartenvereinen, Urban Gardenern bis Transition Town Freiburg sowie von potenziellen Flächeneigentümerinnen für Mieter_innengärten wie die Freiburger Stadtbau und der Familienheim Freiburg.

Zur Bedarfsermittlung wurden flankierend noch gesamtstädtisch-repräsentative Ergebnisse der Haushaltbefragung sowie qualitative Haustürbefragungen in bestimmten Gebietstypologien und eine Abfrage bei den Kleingartenvereinen herangezogen. Zur Finalisierung des Konzepts wurden weitere Dienststellen von fachlichem Interesse hinzugezogen, wie das Umweltschutzamt oder das Amt für Liegenschaften.

Entstanden ist damit ein Konzept, das flexibel auf die Bedürfnisse der Gärtner_innen und die jeweiligen planerischen Rahmenbedingungen reagieren kann. Mit dem Konzept ist es gelungen, dem Belang des "Gärtnern" in seinen vielfältigen Facetten eine Stimme zu verleihen.

Inwiefern werden die Umsetzung und die notwendigen Ressourcen dazu bereits mitgedacht? Wie kommt ein solches Konzept in die Umsetzung? Inwiefern sorgt das Stadtplanungsamt dafür, dass es zur Umsetzung kommen kann? Wer ist dafür verantwortlich, dass es umgesetzt wird?

Da es sich um ein so genanntes informelles Planungskonzept handelt, entsteht kein verbindliches Baurecht, sondern es werden Ziele und konzeptionelle Ideen für Maßnahmen entwickelt. Mit diesen als Begründung können dann bspw. auch Festsetzungen in verbindlichen Bebauungsplänen getroffen werden. Da es sich mit den Entwicklungspfaden um eine langfristig formulierte Zielstellung handelt, gibt es kein kurzfristiges Maßnahmenprogramm.

Die Umsetzbarkeit wird dabei als ein wesentlicher Faktor mitgedacht, weshalb bspw. mit den Nachbarschaftsgärten Am Lindenwäldle und der Erweiterung der Kleingartenanlage Moosacker zwei konkrete Beispielentwürfe für Projekte entwickelt wurden, für die es schon konkrete Planungsabsichten gab.

Da das Stadtplanungsamt keine ausführende Dienststelle ist, können hier nur Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Ideen des Konzeptes haben aber bereits vielfache Wirkung erzielt, bspw. über Bebauungspläne oder beim Einspeisen von Grundlagen oder Empfehlungen von geeigneten gärtnerischen Nutzungen für neue Plangebiete über die Auslobung von Wettbewerben oder städtebaulich-freiraumplanerischen Rahmenkonzepten, wie z.B. für das Gebiet Kleineschholz, dem neuen Stadtteil Dietenbach oder der Kleingärten mit weiteren gärtnerischen Nutzungen im Moosacker. Darüber hinaus werden weiterführende Informationen und Verlinkungen zum Thema Gärtnern in Freiburg über www.freiburg.de/gaertnern als erste Information für Interessierte zur Verfügung gestellt.

Für die Betreuung von Kleingärten sowie des Themas urbanes Gärtnern sowie der (insbesonderen baulichen) Umsetzung von Maßnahmen ist das Garten- und Tiefbauamt die federführende Dienststelle. Hier wird neben fortlaufenden Einzelmaßnahmen in den bestehenden Kleingartenanlagen zurzeit das Angebot mit zusätzlichen Gärten mit zwei Kleingartenanlagenerweiterungen in Moosacker und Obergrün aktiv ergänzt. Ebenso hat das Garten- und Tiefbauamt über einen mind. jährlichen Runden Tisch bereits die Urbanen Gärten erfolgreich vernetzt und Flächen zur Verfügung stellt.

Abschließend obliegt darüber hinaus dem Gemeinderat jedoch die gesonderte Beschlussfassung über die Umsetzung von einzelnen Maßnahmen des Konzepts außerhalb städtischer Grünflächen (siehe Drucksache G-18/128).

Der Ernährungsrat sagt...

Die Antworten haben wir Sarah Daum vom Projekt Essbare Stadt des Ernährungsrat vorgelegt. Die war überrascht. Folgende Kernkritikpunkte führt sie gegenüber der Stellungnahmen auf:

  • Im Konzept stehe eine Stelle für Fördermittel sowie Öffentlichkeitsarbeit für die Gärten und ihre Angebote und die aktive Flächensuche. Das sei aber nicht umgesetzt worden.

  • Im Konzept stehe, dass über die momentanen Angebote von Freiburg packt an weitere für die Unterstützung der urbanen Gärten folgen sollten.

  • Viele der Entwicklungspfade, welche sich nicht auf Kleingärten beziehen, seien überhaupt nicht in der Stellungnahme des GuT erwähnt.

"Eine Vernetzung der urbanen Gärten durch das Garten- und Tiefbauamt ist aus meiner Sicht nicht erfolgreich gewesen, daher machen wir das ja gerade. Die meisten Gärten sind nicht miteinander vernetzt, es braucht z.B. dringend eine Mailingliste und die gebündelte Ankündigung von Veranstaltungen in den Gärten sowie Beratungs- und Weiterbildungsangebote für die urbanen Gärten. Daher haben wir gemeinsam mit dem Treffpunkt Freiburg das nun in die Hand genommen." sagt Sarah Daum vom Projekt Essbare Stadt.

-> Hier geht's zum Portal urbanes-gaertnern-freiburg.de, auf dem das Projekt Essbare Stadt Urbane Gärten in Freiburg vernetzt.

Wie geht's weiter?

Ernährungsrat und Stadtverwaltung sowie Gemeinderat sind bereits immer wieder im Gespräch. Die Projektförderung „Essbare Stadt“, die im letzten Jahr mit der Plattform „Urbanes Gärtnern“ einiges an Vernetzungsarbeit geleistet hat, lieft Ende Juni aus.

„Die Angebote wurden super angenommen. Wir können noch viel mehr Fortbildungen füllen und Gärtner*innen zusammenbringen. Der Bedarf ist da.“ sagt Sarah Daum vom Projekt Essbare Stadt.

Dass es einen Bedarf gibt, bestätigen auch die Ergebnisse aus der Projektwerktstatt am 11. Juni:

"Eine weitere klare Erkenntnis des Termins war es, dass allen Teilnehmenden eine vernetzende Stelle für ihre Fragen und Interessen fehlt. Dies entspricht der Forderung im bereits erwähnten Positionspapier."

Zudem gab es Ende Mai eine Veranstaltung zum Thema urbane Landwirtschaft. Dabei wurde klar, dass Interesse bei jungen Menschen besteht, Gemüsebau in der Stadt und am Stadtrand umzusetzen. "Leider hat das Liegenschafts- und Gartenbauamt bisher keine Unterstützung bei der Flächensuche dafür angeboten." so Sarah Daum. Dabei hätte es bis vor einigen Jahrzehnten am Stadtrand Freiburgs zahlreiche Gemüsegärtnereien gegeben, welche die Stadt klimafreundlich mit Gemüse ernährten.

Was wäre, wenn...

Gefördert wurde das Projekt von der Postcode-Lotterie. Was wäre, wenn die Stadt Freiburg die Vernetzungsarbeit weiterführt, sei es durch die finanzielle Unterstützung des Projekts Essbare Stadt oder das Übernehmen der Aufgaben?

 

Zuletzt geändert
06.12.23, 23:57