Art des Artikels
Unternehmen im Porträt
Autor
Leonie

Kommune im Schwarzwald 2022 – Wie geht das?

Teil 1: Eigentum neu denken und kleinbäuerliche Betriebe erhalten
Zusammenfassung

Tamara und Joris leben auf dem Schafhof in St. Peter, wo sie gemeinsam mit anderen leben und wirtschaften. Die Menschen auf dem Schafhof bezeichnen sich als politische Kommune. Was sich dahinter verbirgt und wie eine Kommune eine Lösung sein kann, unsere Welt ein Stück zukunftsfähiger zu gestalten.

Haupt-Inhaltsfeld

Welche neuen Wege beschreitet der Schafhof und wie trägt das dazu bei kleinbäuerliche Betriebe im Schwarzwald zu erhalten?

1 Wenn drumrum alle sterben – Von der Suche nach der Hofnachfolge

Es ist ein harter Job: wenig Urlaub, lange Arbeitstage, große Investitionskosten, hohes unternehmerisches Risiko. Und reich wird man dabei nicht. Von den über 60.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg im Jahr 1999 sind heute noch ca. 38.000 übrig (Quelle: Statistisches Landesamt 2021). Für die übrig gebliebenen ist es zunehmend schwierig jemanden zu finden, der/die die Hofnachfolge übernimmt. (Quelle: Statistisches Landesamt 2021)

Die Frage der Hofnachfolge stellte sich auch Urban. Sein Hof in St. Peter ist schon seit dem 15. Jahrhundert in Familienbesitz. Generationen von Großeltern haben den Schafhof bereits bewirtschaftet. Auch Urban hat sein ganzes Leben auf dem Hof verbracht. Jetzt würde er sich gerne in den Ruhestand verabschieden. Ein solcher Generationenwechsel ist häufig Anlass für eine Betriebsaufgabe oder einen Verkauf bzw. eine Verpachtung der Flächen. So aber nicht beim Schafhof. Und der Hof geht auch nicht einfach in den Besitz des nächsten Familienmitglieds über, sondern macht vor, wie Hofnachfolge anders gelingen kann – mit weniger Risiko für den/die Einzelne/n und mehr Sicherheit fürs nachhaltige Überleben des Betriebs.

2 „Alleine mach ich’s nicht.“ - Der Weg zur Kommune

Urban hat eine Tochter, Tamara. Für Tamara, die in Witzenhausen Ökolandbau studiert hat, war von Anfang an klar: „Ich werde den Hof nicht alleine oder in einer Partnerschaft. Wenn ich den Hof übernehme, dann mache ich das in einer Gruppe und in kollektivem Eigentum. Auch weil ich Privateigentum an Land ablehne. Höfe sollten als lebendige offene Orte erhalten bleiben, vielen Menschen zugänglich sein und Land sollte denen gehören, die es bewirtschaften.“ Zusammen mit Menschen, die sich aus ihrer Studienzeit in Witzenhausen kennen, entwickelt Tamara die Vision der Kommune Schafhof.

3 Was ist eine Kommune? - Von Klischees und Realität

Die Klischees aus der 68er Bewegung - frei liebende, nackt kochende Hippies - sind längst überholt. Kommune kommt von Gemeinschaft. Menschen entscheiden sich bewusst dafür gemeinsam zu leben, zu wirtschaften und zu entscheiden. Es gibt viele verschiedene Arten von Kommunen. Der Schafhof versteht sich als politische Kommune mit kollektivem Eigentum. Alle Kommunard*innen werfen ihr Vermögen in einen gemeinsamen Topf, mit dem gewirtschaftet wird. Sie verbindet ein linkes Politikverständnis und sie grenzen sich von spirituell-esoterischen Gemeinschaften ab.

Bild

3 Grundprinzipien der Kommune Schafhof

1. Basisdemokratische Entscheidungswege (Hierarchie-kritische unmittelbare Beteiligung)

2. gemeinsame Ökonomie („Grob gesagt: Wir schmeißen unser Geld zusammen und teilen es bedarfsgerecht auf.“)

3. Linkes Politikverständnis

Mehr Einblick, wie das Leben in einer Kommune aussehen könnte, gibt’s zum Beispiel in der Doku über die Kommune Niederkaufungen in Kassel.

4 Das Kollektiv als Risikovorsorge

Seit 2017 gibt es die Kommune Schafhof, die aus derzeit 10 Menschen (plus 6 Kinder) besteht. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde im Sommer 2020 von Tamaras Vater an die jüngere Generation übergeben. Das klappt sehr gut, so Kommunenmitglied Joris, dessen Herz an der Landwirtschaft hängt. Er ist dankbar für die gute Zusammenarbeit mit Urban.

Klar, gibt es auch Herausforderungen. Ein großes Projekt ist derzeit die Kollektivierung des Besitzes. „Wir wollen kein Privateigentum was Immobilien und Fläche angeht.“ Die seit 600 Jahren in Familienbesitz liegenden Flächen des Schafhofs sollen nun in kollektiven Besitz übergehen, das heißt, das Land gehört allen in der Kommune und keinem alleine. Joris erklärt, das sei auch eine gute Risikovorsorge. Es könne schließlich immer mal vorkommen, dass der Mensch, der im Besitz des Hofes ist, krank wird und dann wird es schnell schwierig und die Existenz des Hofes ist bedroht. Wenn der Hof in Besitz von einem Menschen ist, hängt also die ganze Arbeit, das Risiko und die Verantwortung bei einer Person oder einem Ehepaar. Wenn der Hof in Besitz von Vielen ist, werden Arbeit, Risiko und Verantwortung geteilt.

 

 

Steckbrief Schafhof

Wo?

Eichwaldstr. 1, 79271 St. Peter

>> auf der StadtWandler-Karte ansehen

kommune-schafhof.de

Was gibt’s da?

Bio-Fleisch, Bio-Eier und Saft von den hofeigenen Streuobstwiesen.

Der Hofladen ist Freitag und Samstag von 15 bis 18 Uhr (Eichwaldstr. 1, 79271 St. Peter) geöffnet. Es gibt die Produkte auch rund um die Uhr im Selbstbedienungslädle (an der Straßenecke vor dem Hof). Bestellungen über bestellung [at] schafhof-gbr.de (bestellung[at]schafhof-gbr[dot]de) oder 07660 92 08 870.

Wer lebt dort? 10 Erwachsene und 6 Kinder, Rinder, Pferde, Schafe und Hühner.
Was kann ich dort noch so machen?

Das „Rote Häusle“ ist ein kleines Ferienhaus, etwas abseits vom Hof mit Blick auf die Weiden und den Schwarzwald. Bei gutem Wetter sieht man den Feldberg. Das Besondere: Im Häusle gibt es keinen Strom. Ein Gasboiler sorgt für Warmwasser und Energie zum Kochen. Geheizt wird die Hütte mit einem Holzofen.

Mehr Infos zur Hütte und den Buchungsbedingungen hier.

Wie kann ich unterstützen?

Die Kommune freut sich über Menschen, die Lust haben mit anzupacken, sei es bei Brennholzaktionen, oder bei Bauarbeiten.

Bald startet auch eine Finanzierungskampagne, bei der man Genossenschaftsanteile erwerben oder Direktkredite an die Gemeinschaft geben kann.

Bei Interesse melden bei: kontakt [at] kommune-schafhof.de (kontakt[at]kommune-schafhof[dot]de)

>> Teil 2 lesen zu Gemeinsam Leben und Wirtschaften

>> Teil 3 lesen zu Land bewirtschaften und politisch aktiv sein

Zuletzt geändert
06.12.23, 23:57