Art des Artikels
Unternehmen im Porträt
Autor
Leonie

Kommune im Schwarzwald 2022 – Wie geht das?

Teil 3: Land bewirtschaften und politisch aktiv sein
Zusammenfassung

Tamara und Joris leben auf dem Schafhof in St. Peter, wo sie gemeinsam mit anderen leben und wirtschaften. Die Menschen auf dem Schafhof bezeichnen sich als politische Kommune. Was sich dahinter verbirgt und wie eine Kommune eine Lösung sein kann, unsere Welt ein Stück zukunftsfähiger zu gestalten.

Haupt-Inhaltsfeld

Wie wird Landwirtschaft auf dem Schafhof gemacht? Wie profitiert die Natur davon und welche (politischen) Werte stecken dahinter?

>> Teil 1 lesen zu Eigentum neu denken und kleinbäuerliche Betriebe erhalten

>> Teil 2 lesen zu Gemeinsam Leben und Wirtschaften

 

1 Mit Fleisch und Apfelsaft die Schwarzwald-Wiesen erhalten

Auf den ökologisch bewirtschafteten Flächen des Schafhofs weiden Rinder und ihre Kälber. Wenn die Kälber alt genug sind, werden sie geschlachtet. Die Menschen auf dem Schafhof bewirtschaften die Weideflächen schonend nach den Grundideen der regenerativen Landwirtschaft. Das heißt für sie, darauf zu achten, dass beispielsweise durch die Art der Beweidung Bodenaufbau stattfindet. Diese Art der Bewirtschaftung ist für die Schafhof Kommune auch eine Antwort auf die Klimakrise, sie gehe über „bio“ hinaus und versuche den Boden umzubauen – hin zu mehr Klimaresilienz und einer verstärkten CO2-Einlagerung im Boden.

Solche schonend bewirtschafteten Weiden haben einen hohen Wert für den Naturschutz, da sie viele Pflanzen- und Tierarten beherbergen. Das zeigt sich auch darin, dass viele Flächen des Schafhofs einem besonderen Schutzgebietsstatus unterliegen, der europäischen FFH-Richtlinie.

Die Tiere bekommen auch im Winter Futter von den eigenen Flächen. Es wird nicht mit importiertem Kraftfutter zugefüttert. Das Fleisch der Kühe ist der Haupterwerbszweig für den landwirtschaftlichen Betrieb des Schafhofs. Eine Besonderheit: Der Hof hat einen eigenen Schlachtraum. Die Rinder müssen also nicht weit transportiert werden, sondern können direkt auf dem Hof geschlachtet werden. Das Fleisch gibt’s im Hofladen zu kaufen.

Im Hofladen findet man außerdem Apfel- und Birnensaft vom eigenen Streuobst. Streuobstwiesen sind ebenfalls wertvolle Flächen für Pflanzen und Tiere. Sie sind in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Der Schafhof will auch mit dem Anbau von alten Streuobstsorten und der Pflege der Streuobstwiesen zum Erhalt der Biodiversität beitragen.

Neben Fleisch und Saft gibt’s schließlich noch Eier von den Bio-Weidehühnern. Die Hühner wohnen in einem mobilen Stall. Dieser Stall wird regelmäßig auf eine andere Fläche gestellt. Das hat unter anderem die Vorteile, dass der Dünger sich auf den Flächen verteilt, der Boden nicht zu stark beansprucht wird und die Hühner auf der frischen Wiese Regenwürmer finden können. Es handelt sich bei den Hühnern um Zweinutzungshühner. Das bedeutet, es werden nicht nur die weiblichen Hühner als Legehennen aufgezogen. Auch die Männlichen werden aufgezogen und deren Fleisch wird später als Fleisch vom Bio-Weidehahn vermarktet.

Neben Kühen und Hühnern leben auf dem Hof noch Reitpferde und passend zum Namen ein paar Schafe. Die Schafe sind sehr klein und gehören zu einer vom Aussterben bedrohten Nutztierrasse, Skudde, genannt. Sie werde nicht zur Fleisch- oder Milchproduktion gehalten, sondern für die Landschaftspflege eingesetzt. Sie fressen die Pflanzen und Sträucher, die von Kühen oder Pferde verschmäht werden und helfen so auch mit, die Wiesen zu erhalten.

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2 Veganismus und links-politische Ideale

Tamara ernährt sich gerne vegan und sympathisiert mit den Werten des Veganismus. Wie passt das zu einem Rinderhof, der Grünland bewirtschaftet und Fleisch vermarktet?

Zum einen kann Grünland nicht einfach in Ackerland umgewandelt werden, um Gemüse statt Fleisch zu produzieren. Tamara will zwar weitere Wirtschaftszweige neben der Rinderhaltung entwickeln, zum Beispiel würde sie gerne Gemüse anbauen nach der Organisationsform der solidarischen Landwirtschaft . Allerdings gibt es ein Problem: Die Umwandlung von Grünland, also Weideflächen, in Acker zum Gemüseanbau ist in Baden-Württemberg grundsätzlich verboten. Es gibt Ausnahmen und Befreiungen, aber das sei nicht so einfach, meint Joris.

Zum anderen betrachtet Tamara das große Ganze. Neben den Werten des Veganismus war es ihr letztlich am Wichtigsten, dass sie das Projekt mit Menschen führt, die sie kennt, denen sie vertraut und welche die Energie und Skills haben, um mit ihr das Projekt zu stemmen. Und sie teilen ein gemeinsames Bild von einer neuen Art zu leben und zu wirtschaften. Für die Menschen auf dem Schafhof ist die Kommune eine Antwort auf die Frage, wie eine gesellschaftliche Transformation aussehen kann. Sie verstehen sich als politische Kommune und haben viele Ideen wie sie noch weiter politisch wirken können. Eine Lobby-Gruppe für kleinbäuerliche kollektive Landwirtschaft ist eine davon.

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3 Ein Ort für Ideen und https://www.stadtwandler.org/de/articles?text=schafhofBegegnung

Und was sagt die Schwarzwälder Nachbarschaft zu den Ideen der Kommune? „Die Nachbarschaft besucht uns gerne auf dem Hof, wenn wir sie einladen.“, meint Tamara. Bei Mitmachtagen und Festen kommen Menschen aus der Umgebung, Freund*innen und Bekannte auf den Hof zum Anpacken, Austauschen und Feiern. Der erste Tag der offenen Tür wurde sehr gut angenommen und als großer Erfolg gefeiert. Auch einige Schwarzwälder Landwirte schauen neugierig und anerkennend auf den Hof mit einer Nachfolge der etwas anderen Art. Es braucht neue Konzepte, da sind sich viele einig.

Es gibt ab und zu mal witzige Gerüchte wie, dass Menschen auf dem Schafhof im Februar nackt übers Gelände laufen würden oder dass sie Autofahrende anhalten und beschimpfen würden, dass das Autofahren schlecht für den Klimawandel sei. Die Hofbewohnenden können über diese erfundenen Tratschgeschichten nur schmunzeln. Das gehöre wohl dazu, als Reaktion darauf, dass sie sich als Kommune bezeichnen und Transpis mit „Agrarwende jetzt!“ und „No borders: Wir haben Platz!“ an der Hofeinfahrt hissen.

Die Kommune will nicht nur im kleinen Rahmen Vieles anders machen (gemeinsamer Besitz, selbstorganisierte Landwirtschaft, basisdemokratische Strukturen, nachhaltiges Wirtschaften), sondern will das auch nach Außen tragen. Der Hof ist offen für Ausflüge von Schulklassen und soll auch in Zukunft vermehrt als offener Lernort dienen. „Wir wollen, dass das hier ein offener Ort für Ideen wird.“ sagt Tamara.

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4 Wie weiter? Was braucht die Kommune jetzt?

Anfang des Jahres 2021 gab es einen Brand auf dem Schafhof. Das Wohngebäude ist dabei zu Schaden gekommen. Dank großer Hilfsbereitschaft und Spenden von Freund*innen des Schafhofs konnte schnell mit der Reparatur des Gebäudes begonnen werden. Aktuell ist noch Baustelle auf dem Schafhof. Die Kommune freut sich über Menschen, die Lust haben mit anzupacken, sei es bei Brennholzaktionen, oder regelmäßig auf der Baustelle.

Darüber hinaus startet gerade eine Finanzierungskampagne. Du kannst die Kommune Schafhof dabei unterstützen die Flächen und Gebäude des Hofes zu entprivatisieren, um sie somit langfristig zu sichern. Durch Nachrangdarlehen oder die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen beteiligst du dich daran, den Schafhof einer solidarischen, lebendigen und kleinbäuerlichen Nutzung zuzuführen.

Mehr Infos gibt's unter: kontakt [at] kommune-schafhof.de (kontakt[at]kommune-schafhof[dot]de)

und kommune-schafhof.de

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Steckbrief Schafhof

Wo?

Eichwaldstr. 1, 79271 St. Peter

>> auf der StadtWandler-Karte ansehen

kommune-schafhof.de

Was gibt’s da?

Bio-Fleisch, Bio-Eier und Saft von den hofeigenen Streuobstwiesen.

Der Hofladen ist Freitag und Samstag von 15 bis 18 Uhr (Eichwaldstr. 1, 79271 St. Peter) geöffnet. Es gibt die Produkte auch rund um die Uhr im Selbstbedienungslädle (an der Straßenecke vor dem Hof). Bestellungen über bestellung [at] schafhof-gbr.de (bestellung[at]schafhof-gbr[dot]de) oder 07660 92 08 870.

Wer lebt dort? 10 Erwachsene und 6 Kinder, Rinder, Pferde, Schafe und Hühner.
Was kann ich dort noch so machen?

Das „Rote Häusle“ ist ein kleines Ferienhaus, etwas abseits vom Hof mit Blick auf die Weiden und den Schwarzwald. Bei gutem Wetter sieht man den Feldberg. Das Besondere: Im Häusle gibt es keinen Strom. Ein Gasboiler sorgt für Warmwasser und Energie zum Kochen. Geheizt wird die Hütte mit einem Holzofen.

Mehr Infos zur Hütte und den Buchungsbedingungen hier.

Wie kann ich unterstützen?

Die Kommune freut sich über Menschen, die Lust haben mit anzupacken, sei es bei Brennholzaktionen, oder bei Bauarbeiten.

Bald startet auch eine Finanzierungskampagne, bei der man Genossenschaftsanteile erwerben oder Direktkredite an die Gemeinschaft geben kann.

Bei Interesse melden bei: kontakt [at] kommune-schafhof.de (kontakt[at]kommune-schafhof[dot]de)

>> Teil 1 lesen zu Eigentum neu denken und kleinbäuerliche Betriebe erhalten

>> Teil 2 lesen zu Gemeinsam Leben und Wirtschaften

Zuletzt geändert
06.12.23, 23:57